Nachgebühr

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Nachgebühr bei verspäteter Rückgabe eines Videofilms

von Sven Jäger, Rechtsanwalt / Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

 

Videothekare sanktionieren die verspätete Rückgabe von Videofilmen auf unterschiedliche Art und Weise.


Einige verlangen eine einmalige Pauschale von mehreren Euro, unabhängig vom Überziehungszeitraum. Andere fordern eine zeitabhängige Vertragsstrafe bei verspäteter Rückgabe und staffeln diese. Gängig ist die Regelung eines Aufschlags von 1 bis 2 Euro pro Überziehungstag auf den üblichen Mietpreis. Diesen Aufschlag erhöhen sie mit zunehmender Dauer der Überziehung. Wieder andere verlangen für die Überziehung eine Gebühr in Höhe des Mietpreises.


Allen gemeinsam ist die Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.


Doch Vorsicht, nicht jede Regelung ist rechtlich zulässig.


Exkurs


Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB enthalten die gesetzlichen Bestimmungen hierzu) liegen nicht nur dann vor, wenn sie so überschrieben aushängen (oft geschieht nicht einmal das). Nach der gesetzlichen Definition, vorformulierte Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen einseitig von dem Videothekar dem Kunden gestellt (so § 305 Abs. 1 BGB), bestehen sie bei sämtlichen Vertragsformularen, egal ob sie auf die Vorder- oder Rückseite gedruckt sind.


Keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind dagegen individuell ausgehandelte Regelungen mit einem Kunden. Wenn z.B. ein Videothekar einem Stammkunden aufgrund einer einmaligen Situation spezielle Vertragsbedingungen anbietet und diese nur ein einziges Mal verwenden möchte, dann finden die Bestimmungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Anwendung. Dies ist jedoch die Ausnahme.


Was ist aber dann der Regelfall?


Pauschalisierung der Nachgebühr


§ 309 Nr. 5 BGB bestimmt, dass eine Klausel unwirksam ist, die die Nachgebühr pauschalisiert - z. B. es wird immer eine Nachgebühr von € 50.00 erhoben - und dem Kunden Nachweis abschneidet, dass dem Videothekar ein geringerer Verspätungsschaden entstanden ist (LG Köln Urteil vom 21.06.1988, -11 S 19/88).


Folge der Unwirksamkeit ist jedoch nicht, dass der Videothekar überhaupt keine Nachgebühr verlangen kann. Vielmehr gelten die gesetzlichen Bestimmungen (hierzu siehe unten).


Vertragsstrafe


Eine Vertragsstrafe liegt immer dann vor, wenn dem Kunden für den Fall der verspäteten Rückgabe, eine höhere Gebühr als die ursprüngliche Mietgebühr auferlegt wird.


Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe verstößt ebenso wie die Pauschalisierung der Nachgebühr gegen die Bestimmungen der Regelungen über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (hier § 307 Abs. 1 BGB). Begründet wird dies damit, dass für eine Regelung einer Vertragsstrafe nur dann ein berechtigtes Interesse besteht, wenn dem Videothekar sonst kein Schadensersatzanspruch zustehen würde oder wenn dieser kein ausreichendes Druckmittel wäre (AG Frankfurt Urteil vom 30.04.1992 - 32 C 1881/91). Ein Schadensersatzanspruch steht dem Videothekar aber im Rahmen des Verzugsschadens zu. Eine Vertragsstrafenregelung ist daher unzulässig und somit unwirksam.


Auch hier gilt das oben Gesagte. Die unwirksame Regelung wird durch das Gesetz ersetzt.


Aber was besagt die gesetzliche Regelung?

Nachgebühr gemäß Mietzins = gesetzliche Bestimmung!


Gemäß § 546a BGB kann der Vermieter im Fall einer verspäteten Rückgabe der Mietsache für die Dauer der Vorenthaltung die vereinbarte Miete als Entschädigung verlangen. Hat also ein Kunde 3 Filme für 4 Euro für einen Tag gemietet und bringt er diese Filme 2 Tage verspätet zurück, dann beträgt die gesetzliche "Nachgebühr" 2 (Tage Überziehung von) x 3 (Filme für) x 4 (Euro) = 24 Euro (Nachgebühr).


Der Videothekar muss hierbei nicht den Kunden daran erinnern, die gemieteten Filme zurückzugeben, um Verspätungsgebühren erheben zu können. Ein Mieter kommt nach Ablauf der Mietzeit in Verzug, weil die Rückgabe der Mietsache auf den Tag genau bestimmt ist. Ist aber ein Mieter in Verzug, dann können ihm sämtliche Kosten, die durch Mahnungen - gerichtlich, wie außergerichtlich - entstehen, auferlegt werden.


Zusammenfassung


Der Videothekar kann bei verspäteter Rückgabe den vereinbarten Mietzins als Verspätungsgebühr verlangen.


Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung <i>(so z. B. AG Frankfurt Urteil vom 30.04.1992 - 32 C 1881/91, das eine Berechnung der Nachgebühr nur für 3/4 der Verspätungszeit zulässt)</i> ist die Nachgebührenerhebung für nicht zurückgebrachte Videofilme nicht auf eine bestimmte Dauer beschränkt. Eine derartige Begrenzung findet im Gesetz keine Stütze. Der Wortlaut des § 546a BGB ist eindeutig (so auch LG Köln).


Eine höhere Gebühr als der vereinbarte Mietzins kann allerdings nicht gefordert werden. Abweichende Regelungen sind wie gezeigt - unseres Erachtens auch zu Recht - unwirksam.


Man kann dem Videothekar bei übermäßiger Überziehungszeit zudem nicht den Vorwurf machen, er habe ein Mitverschulden an der verspäteten Rückgabe nach § 254 BGB, da er sich nicht bzw. nicht besonders nachdrücklich um die Rückgabe des Film bemüht habe, sei es durch Erinnerungsschreiben oder Telefonanrufe. Das Verschulden des Kunden an der verzögerten Rückgabe wiegt erheblich schwerer als ein etwaiges Mitverschulden des Videothekars, wenn der Kunde die verzögerte Rückgabe nicht entschuldigt (LG Köln Urteil vom 21.06.1988 - 11 S 19/88).


An die Entschuldigung des Kunden sind erhöhte Anforderungen zu stellen. Aussagen wie, man habe den Film verlegt oder man sei lieber mit Freunden unterwegs gewesen u. ä., genügen nicht. Unseres Erachtens können nur Umstände außerhalb der Sphäre des Kunden zur Entschuldigung herangezogen werden, die nicht überwiegend in seiner Person begründet sind, also Gründe für die der Kunde nicht verantwortlich ist.


Abschließend sei noch angemerkt, dass die Rückgabe eines Videofilms nicht dadurch erfolgt, dass der Film auf die Theke der Videothek gelegt wird, weil man z. B. das Warten in einer Schlange verkürzen möchte. In diesem Fall ist der Videofilm nicht in den Besitz der Videothek zurückgelangt, was für eine Rückgabe unbedingt erforderlich ist (AG Frankfurt Urteil vom 30.04.1992 - 32 C 1881/91). Gerade bei einem Kundenandrang ist nicht auszuschließen, dass ein anderer Kunde die Kassette versehentlich oder bewusst einsteckt.


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