von Sven Jäger, Rechtsanwalt / Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Spätestens dann, wenn der Betroffene eine lange ambulante oder stationäre Behandlung über sich ergehen lassen muss, stellt sich die Frage, wer für die entstandenen Hörschäden haftet.
Mittlerweile gibt es fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, wann das menschliche Gehör bei Lärmeinwirkung schaden nimmt. So ist bekannt, dass die Schädlichkeit lauter Geräusche einerseits von ihrer Intensität und andererseits von der Dauer abhängt, in der sie auftreten. So sollte ein Schall, der 120 dB(A) erreicht, innerhalb einer Zeitspanne von 8 Stunden nicht länger als 10 s einwirken, damit die Gesundheit keinen Schaden nimmt. Legt man eine Wirkungszeit von 1 Stunde zu Grunde, liegt die kritische Pegelgrenze bereits bei 90 dB(A). Bei Konzerten mit längerer Dauer ist die kritische Pegelgrenze weitaus geringer.
Gesundheitsgefahren bestehen immer dann, wenn ohne derart hohe Pegelausschläge von 100 db(A) über die gesamte Konzertdauer hinweg ein mittlerer Pegel von nicht einmal ganz 90 dB(A) gegeben ist.
Besonders hoch ist die Gefahr von Gehörschädigungen, wenn man sich in unmittelbarer Nähe zu den Lautsprechern aufhält. Schallschwingungen, die der Lautsprecher konstruktionsbedingt erzeugte, die in ihrer Abfolge sehr kurz sind, sind besonders beanspruchend für die Schallrezeptoren im Ohr (Ohrhärchen), sodass das Schädigungspotential des jeweils vorhandenen Lärmpegels aufgrund dieses Umstands sich außergewöhnlich erhöht.
Das Problem, vor dem die geschädigte Person steht, ist in einem solchen Fall zu beweisen, dass die Gehörschädigung durch die Musikbeschallung entstanden ist. Auch hier gilt der im Zivilverfahrensrecht vorherrschende Grundsatz, dass jeder die ihm günstige Tatsache beweisen muss. Verlangt der Geschädigte Schadensersatz oder Schmerzensgeld aufgrund der Lärmbeschallung eines Konzerts, so muss der beweisen, dass die Gehörschädigung durch die Musikbeschallung aufgetreten ist, nicht schon vor Konzertbesuch bestanden hat und vor allem nicht durch Umstände hervorgerufen wurde, die der Konzertveranstalter nicht beeinflussen konnte.
Dass die Hörschäden durch das Gekreische während des Konzertes entstanden sind - und somit eine Alternativursache für die Hörschäden verantwortlich ist, die der Konzertveranstalter nicht beeinflussen kann - kann meist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Das menschliche Kreischen kann nur dann ein Lärmtrauma erzeugen, wenn die kreischende Person ihren Mund an den Gehörgang heranführt und gleichzeitig den Kopf festhält, um Schutzreflexe auszuschalten. Das kann nur dann vernünftiger Weise in Betracht gezogen werden, wenn eine Schädigung nur eines Ohr vorliegt. Bei einer Schädigung beider Ohren ist die Kreischursache meist nahezu vollständig auszuschließen (OLG Koblenz - Entscheidung von 13.09.2001 - 5 U 1324/00)
Zu beachten ist allerdings, dass die Hörschädigung auch auf Stressfaktoren, Flüssigkeitsmangel, Sauerstoffmangel, eine Erkrankung der Halswirbelsäule, eine Kieferfehlstellung, auf Zahnfüllungen, Zähneknirschen oder die Einnahme von Medikamenten zurückzuführen ist. Diese Ursachen sollten bei einer Inanspruchnahme wegen Hörschäden nach einem Konzert Beachtung finden. Erst wenn diese Ursachen für den Gehörschaden auszuschließen sind, steht die Lärmbelastung des Konzerts aus Ursache der Gehörsschädigung fest und kann als Haftungsgrundlage dienen.
Dass nicht alle Konzertbesucher Gehörsschäden davon getragen haben, ist ebenfalls kein hinreichender Grund, um die Musikbeschallung als Ursache für die Gehörschädigung auszuschließen. Es müssen immer die individuellen Unterschiede in der Vulnerabilität berücksichtigt werden.
Für die Schädigung hat der Veranstalter wie auch der einzustehen, der die Konzerträume zu Verfügung stellt. Beide sind Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB), d. h. jeder kann auf den vollen Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Im Verhältnis der beiden Verantwortlichen untereinander erfolgt ein Ausgleich der Schadensersatzforderung im Innenverhältnis, ohne dass dies irgendeine Auswirkung auf den Geschädigten hat.
Haftungsgrundlage ist § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Hiernach hat jeder, der eine Gefahrenquelle - hier laute Musikbeschallung - eröffnet, dafür zu sorgen, dass keine Dritte hiervon geschädigt werden und für entstandene Schäden einzustehen.
Der Konzertraumvermieter haftet ebenso wie der Veranstalter. Er kann sich nicht darauf berufen, er hatte keinen Einfluss auf die Art der Musikbeschallung. Es bestehen Einwirkungsmöglichkeiten im Rahmen der, der Veranstaltung zugrunde liegenden vertraglichen Regelungen. Durch die Vermietung der Räume wurde es ermöglichte, dass das erkennbar auf große Lautstärken angelegte Konzert stattfinden konnte. Der Konzertraumvermieter muss ausreichende Sicherungsvorkehrungen treffen.
Der Konzertraumvermieter muss aufgrund der Vereinbarungen mit Veranstalter in der Lage sein, aus der Situation heraus geeignete Maßnahmen - wie etwa eine sachgerechte Positionierung der Sicherheitsbarrieren oder die Begrenzung des Lärmpegels auf einen tolerablen Wert - in die Wege zu leiten. Ansonsten muss er sich entgegenhalten lassen, dass er durch den Vertragsschluss mit dem Veranstalter eine Gefahrenlage geschaffen hatte, von der er wusste, dass er sie sich später nicht mehr kontrollieren kann.
Den Veranstalter trifft hierbei den Hauptvorwurf.
Zusammenfassend lässt sich daher sagen:
Der Veranstalter eines Popkonzerts haftet wegen der Verletzung von Verkehrspflichten für die Hörschäden der Konzertbesucher.
Neben ihm haftet der Vermieter der Räume; ebenfalls aufgrund der Verletzung von Verkehrsicherungspflichten.
Als Schaden ist - neben den Behandlungskosten für den Hörschaden - auch ein Schmerzensgeld für den immateriellen Schaden zu entrichten.
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